Son of a Preacher Man - Teil 14

Autor: Maggie
veröffentlicht am: 10.07.2014


Pünktlich stehe ich zwei Blocks weiter ein wenig aufgehübscht vor Noahs Haustür und betätige die Klingel. Ich lausche in mich. Bin ich nervös? Etwas. Warum? Keine Ahnung.
„Ja?“, rauscht es überlaut aus der Gegensprechanlage und ich zucke vor Schreck zusammen.
„Ich bins.“, flüstere ich, um den Geräuschpegel zu kompensieren.
„Anna?“, schallt es wieder in dieser mega Lautstärke. Irgendwer muss das Teil mal einstellen, ich erleide ja fast nen Hörsturz. „Ja.“, knurre ich.
„Okayhey!“, flötet er fröhlich und mir sprengt es das Trommelfell. Na, der wird sich gleich umgucken.

Andächtig steige ich den Treppenflur hinauf, besinne mich auf das, was ich mir vorgenommen habe. Und was ich ihm klarmachen will. Das Essen wird danach wohl ausfallen. Ich komme mit schlechten Nachrichten. Aufgrund von Caros gestriges Hiobsbotschaft und der heutigen Begegnung mit Kathrin, ist mir deutlich bewusst geworden, dass ich mit Noah nicht einfach so mal locker flockig einen gemeinsamen Abend inklusive köstlicher Verzehrung verbringen kann. Jedenfalls jetzt noch nicht.

Meine sorgfältig zurecht gesuchten Vorsätze drohen beinahe sich in Luft auszulösen, als er im Türrahmen steht und mich sehr ungezwungen und absolut hinreißend anlächelt.
Mir scheint, er wird mit jeder Begegnung attraktiver. Oder ich achte da einfach intensiver drauf. Jedenfalls steht ihm das olivgrüne Hemd außerordentlich gut und die braunen Locken fallen ihm eine Spur verwegener ins Gesicht, als ich es in Erinnerung hatte. Ich muss mich kurz sammeln.
Zu allem Überfluss begrüßt er mich mit einer festen Umarmung. Er ist frisch geduscht und duftet nach diesem einen ganz besonderen Duschbad. Ich erkenne es sofort. Ich liebe diesen Geruch. Exakt dieses habe ich so oft für Chris gekauft. Diese Erkenntnis erdet mich erstmal gründlich.

„Hallo.“, sage ich so reserviert wie möglich und gehe einfach an ihm vorbei. Dann stehe ich in einer Wohnung, die exakt so geschnitten ist, wie meine eigene WG. Es fehlen nur die Dachschrägen und der signifikante Geruch von Patchouli, der Justus und Gordon umhüllt, wie ein penetranter und ziemlich lästiger Schwarm Bienen. Hier riecht es wirklich besser. Leichte Essensgerüche aus der Küche und ein Hauch von Noah, frisch und sportlich irgendwie – sehr angenehm.
„Lass uns in mein Zimmer gehen.“, sagt dieser auch gleich und drückt mich hinterrücks in sein kleines Reich. Dabei murmelt er: „Kai ist doch schon eher zurück gekommen.“

Na prima, dem will ich auf keinen Fall begegnen und lasse mich deshalb auch von Noah dirigieren. Sein Zimmer ist größer als meins, luftiger und natürlich sauberer. Ich bin leider kein ordentlicher Mensch. Seine Einrichtung besteht größtenteils aus Mobiliar mit schwedischen Vornamen, ist aber zweckgebunden und gemütlich. Großes Bett, Kleiderschrank, Schreibtisch, Bücherregal und als Luxus ein Minisofa mit Tisch und Fernseher. Besitze ich zum Beispiel nicht. Ich hab ja nicht mal nen Besucherstuhl. Was jedoch noch keiner abschreckend genug fand, um mich nicht zu besuchen.
Wo liegt da der Fehler?

„Also, das Essen braucht noch nen Moment. Setz dich doch schon mal.“, sagt er und deutet auf das enge Etwas von Couch. Da passen wir nie im Leben nebeneinander drauf, denke ich skeptisch. Außer wir kuscheln. Oh Gott. Hoffentlich holt er noch einen Stuhl aus der Küche.
Wie aufs Stichwort verschwindet er auch plötzlich und ich lasse mich schwer seufzend auf das kleine Möbelstück fallen. Ehe ich mich ordentlich sammeln kann, kehrt er schwungvoll zurück, lächelt mich breit an und hat zwei volle Weingläser in den Händen. Er reicht mir eins. „Prost!“, strahlt er. Ich nicke gezwungen und nehme einen großen Schluck.

Noah trinkt ebenso enthusiastisch und quetscht sich dann tatsächlich neben mich. Es ist so kuschlig, unsere Beine berühren sich sehr intim, genauso wie unsere Oberarme und er ist mir dabei so verflucht nahe, dass sein Duft unaufhörlich droht, mir die Sinne zu vernebeln. Die ganze Situation kostet mir unglaublich viel Selbstbeherrschung und Kontrolle. Und genau das wirft mich aus der Bahn, wie einen Betrunkenen vom Fahrrad. Wie konnte es so schnell so weit kommen? Das fragen sich Alkoholiker nach einem Sturz vom Drahtesel sicher auch desöfteren. Gerade fährt man noch laut lallend durchs Unterholz, schon liegt man im Dreck. Wie das genau passiert ist, weiß im Nachhinein niemand. Jedenfalls habe ich keine Erklärung für das, was Noah so schnell in mir auslösen konnte.

„Und?“, haucht er mir fröhlich entgegen, „Wie war dein erster Arbeitstag?“
Diese Frage holt mich zurück in das Hier und Jetzt. Arbeitstag. Kathrin. Du kleiner, mieser Hund!
„Interessant.“, säusele ich und versuche ihn so anzusehen, wie die Katze eine Maus. Also ziemlich lauernd, dreckig grinsend und mit der Gewissheit, gleich fette Beute zu machen. Im übertragenen Sinne selbstverständlich. „Ich bin deiner Exfreundin begegnet.“

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Dass ihm seine Gesichtszüge entgleisen, dass er peinlich berührt rot anläuft oder dass er ertappt zusammenzuckt? Keine Ahnung. Jedenfalls habe ich sicher nicht damit gerechnet, dass er mich weiterhin siegessicher anlächelt.
„Schön.“, sagt er im Brustton tiefster Überzeugung.
„Schön?“, frage ich verwirrt zurück. „Was ist daran bitte schön?“
„Äh...“, er kratzt sich am Kinn. „Dass ihr euch mal kennen lernt?“
„Bitte was?“, hauche ich entgeistert. „Willst du mich verarschen?“ Will er wohl offensichtlich, denn er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Dabei hatte ich das doch so schön geplant.

Noah zuckt mit den Schultern: „Was stört dich denn daran, dass du mit Kathrin zusammenarbeitest? Hattest du nicht gesagt, dass sie dich nicht interessiert? Ich dachte, das würde dir so ziemlich am Allerwertesten vorbei gehen.“ Sein darauf folgendes Zwinkern wirkt dermaßen tückisch, dass ich ihn kaum wieder erkenne.
Ich sehe ihn kritisch an und mir geht schleppend ein Lichtlein im Oberstübchen auf. Aber das kann nicht sein. Ist er so berechnend? Hat er das absichtlich gemacht, um mir zu zeigen, dass mir seine Ex und damit er selbst, absolut nicht so unwichtig sind, wie ich es gern hätte? Das wäre krank. Und unglaublich hinterhältig. Und erschreckend manipulativ. Ich springe auf den Gedanken lieber erstmal nicht an und besinne mich auf ein weniger heikles Argument.

„Du hast mich an diesen Kaffeeschuppen genauso vermittelt, wie deine Exfreundin. Da schimmert ein gewisses Muster durch mein Lieber. Ich bin nicht so hilfsbedürftig und verloren, wie eine Drogenabhängige. Ich will keine Almosen von dir!“, stelle ich deutlich klar. Ich hoffe das war unmissverständlich. Ich sehe, wie es in seinem hübschen Köpfchen arbeitet

„Glaubst du, ich hab dir beim Bewerbungsgespräch geholfen, weil ich denke, dass du alleine Nichts auf die Reihe bekommst?“, fragt er verwundert.
„Offensichtlich schon.“, erwidere ich und übergehe die Tatsache, dass ich ohne ihn das Gespräch keine Sekunde überlebt hätte.
„Anna!“, entrüstet er sich. „Ich wollte dir helfen, weil ich die Petra so gut kenne. Außerdem wolltest du doch da arbeiten, oder nicht?“
„Eigentlich wollte ich mir nur nen Kaffee holen.“, bemerke ich trocken.
„Und warum hast du mir das nicht einfach gesagt?“, fragt er etwas verschnupft.
„Du hast mich ja nicht zu Wort kommen lassen.“ Ich klinge irgendwie kaum überzeugend. Warum eigentlich? War doch so. Noah hat mich regelrecht überfallen und ehe ich reagieren konnte, stand schon Miese-Petra vor mir.
„Also willst du den Job im Grunde überhaupt nicht?“
„Doch, jetzt schon.“, gebe ich kleinlaut zu.
„Na dann ist doch alles bestens!“, grinst er wieder eine Spur fröhlicher, klatscht sich auf die Oberschenkel und sagt: „Ich geh mal nach den Nudeln gucken.“

Ich bin im falschen Film. Wollte ich nicht Noah die Liviten verlesen? Und nun, alles prima, alles geklärt? Nix ist geklärt! Er soll mich nicht wie seine kindische Ex behandeln. Und er soll mich nicht so bevormunden. Und ich finde es auch nicht angenehm, permanent von ihm übergangen zu werden. Das war doch grad schon wieder der Fall.

„Noah!“, rufe ich deshalb leicht aufgebracht. „Lass mal die Nudeln Nudeln sein und komm wieder her!“
„Moment!“, schallt es von weiter weg zurück.
Frustriert erhebe ich mich und laufe seiner Stimme entgegen. Es ist ohnehin besser, wenn ich ihm die Stirn biete, ohne halb auf seinem Schoß zu sitzen. Im Flur steht plötzlich Kai vor mir. Hilfe.
Vor Schreck zucke ich leicht zusammen. Er war derjenige im Kirchencamp, mit dem ich am wenigsten zu tun hatte. Und seine Freundin Elsa war zwar nett, schien aber auch nicht sonderlich begeistert von meiner Erscheinung. Und es ist mir jetzt doch leicht peinlich, dass ich alle in Angst und Schrecken versetzt habe mit meiner infernalischen Aktion.

„Oh. Hi!“, stammle ich mitten in der Bewegung.
„Hallo Anna.“, entgegnet er reserviert. Dann nickt er nur und hastet an mir vorbei, vermutlich in die Richtung seines Zimmers. Ich sehe ihm hinterher. Das war nicht nett. Aber auch zu erwarten. Wahrscheinlich hält er mich für vollkommen durchgeknallt. Noah kommt aus der Küche, sieht seinem Mitbewohner und ruft: „Willst du auch mit essen?“
„Nein, Danke. Hab noch zu tun.“, murmelt dieser und schließt die Tür hinter sich.
Ich sehe Noah mit hochgezogener Augenbraue an. Dieser zuckt mit den Schultern. „Hunger?“

„Noah... ich...-“, ich ringe nach Worten. „Wir müssen reden. Das geht so alles nicht. Ich will auch nichts essen.“ Ich sehe ihn flehend an. Seine Miene verfinstert sich kaum merklich.
„Okay.“, sagt er bloß. Dann dreht er sich um und geht wieder in die Küche. Ich schätze, er will den Herd ausstellen. Er ist auch sofort zurück und deutet auf sein Zimmer. Mit flauem Gefühl im Magen trotte ich ihm voran. Schnell greife ich nach meinem Weinglas, trinke hastig einen Schluck und kralle mich dann an dem Stiel des Glases fest.
Noah sieht mich mit seinen moosgrünen Augen erwartungsvoll an. Ich komme mir vor als müsste ich einem kleinen Welpen sagen, dass er nachts nicht zu mir ins Bett darf. Gemein. Man will es selbst nicht wirklich, hat aber keine andere Wahl. Als hätte ich eine Noah-Haar-Allergie, die mich zu diesem unergründlichem Entschluss zwingt.

„Weißt du -“, beginne ich unsicher. „Ich mag dich.“, platzt es raus. Doofer Anfang. Noah strahlt.
„Schön!“, entgegnet er.
„Und das wars dann aber auch.“, sage ich hastig, unüberlegt und fühle mich gleichzeitig wie der letzte Arsch auf diesem Planeten. Armer kleiner Noah-Welpe. Das Strahlen weicht einem bekümmert-verwundertem Ausdruck. Deshalb füge ich, um den Worten die Schärfe zu nehmen, hinzu: „Sieh in mir bitte keine 2. Kathrin.“

„Das tue ich nicht. Wie kommst du darauf?“, schnappt er ungläubig nach Luft.
„Dein Verhalten deutet darauf hin.“, entgegne ich und schüttel verständnislos mit dem Kopf dabei. Das muss ihm doch selbst aufgefallen sein. Spätestens beim Festival.
„Ach ja? Was habe ich denn getan?“, fragt er mit provokativem Unterton.
„Deine ganze Art Noah!“, sage ich genervt. „Im Camp hast du mich mit deiner Euphorie fast erschlagen, bei den DuskyDays hast du mich bevormundet und schrecklich behandelt und hier überhäufst du mich mit Fürsorge. Ich will ein für alle Mal klarstellen, dass ich dir ebenbürtig bin und du deinen Helferkomplex nicht an mir auslassen solltest.“
„Helferkomplex?“, ruft er empört. „Was soll das denn bedeuten?“
„Dass du nen unnatürliches Bedürfnis hast, dich den Menschen deiner Umgebung anzunehmen und ihnen gegen ihren Willen zu helfen?“
„Wann bitte habe ich das jemals getan?“, fragt er beleidigt.
Ich atme schwer aus. „Kathrin?“, spreche ich das Offensichtliche an.

Noah kneift berechnend die Augen zusammen. Ich sehe ein Gewitter aufziehen und trinke prophylaktisch mein Weinglas aus.
„Was willst du eigentlich ständig mit meiner Exfreundin? Hatten wir da nicht eine kleine Übereinkunft geschlossen?“
„Dann musst du sie mir nicht direkt unter die Nase setzen!“, gifte ich ihn an.
„Ist das dein ganzes Problem? Dass du mit ihr zusammenarbeiten musst und ich es dir nicht gesagt habe?“ Auf seiner Stirn zieht sich eine Zornesfalte. Er ist ganz schön gereizt. Verdammt, das macht ihn um einiges anziehender. Wie bei den DuskyDays. Wenn die Guten zu den Bösen mutieren. Gefährlich, weil das eine arge Faszination auf mich ausübt. Mir steigt der zu hastig getrunkene Wein zu Kopf. Eindeutig.

„Unter anderem.“, antworte ich ausweichend.
„Man, Anna!“, stößt er hervor und rauft sich dabei mit einer Hand die Haare. „So ein Blödsinn. Du wolltest einen Job, ich habe dir geholfen. An Kathrin habe ich dabei keinen Gedanken verschwendet. Ihr ist eh nicht mehr zu helfen, mit dem Thema bin ich durch. Und ich dachte, dass sie dich nicht mal interessiert. Warum sollte dich auch meine Exfreundin interessieren, wenn du mich eh nur „magst“?“ Die Betonung liegt schwer auf dem letzten Wort.

Wie arglistig war das denn bitte?
Mir rutscht der Mund ein Stück auf. „Ich... ich interessiere mich nicht für deine Ex!“, stottere ich peinlich vor mich hin. „Mir ist eben nur aufgefallen, dass du mir die gleiche Behandlung angedeihen lässt, wie ihr. Und genau das geht mir gegen den Strich!“
„Das stimmt aber nicht. Ich behandle dich ganz anders. Du bist ganz anders.“ Das klingt irgendwie merkwürdig. „Ich bin um ehrlich zu sein etwas enttäuscht, wie du von mir denkst und besonders deine Vorstellung, wie ich dich sehe. Diese Selbstreflektion ist ziemlich aufschlussreich.“
„Worauf willst du hinaus?“, frage ich warnend.
„Du fühlst dich von meinem Handeln bevormundet. Warum? Nur weil ich dir Vorschläge mache? Dir helfen will? Freunde machen so etwas. Das nennt man einen Gefallen tun. Und es muss nicht gleich heißen, dass ich dich für eine armselige, hilflose Person halte, die selbst nichts auf die Reihe bekommt. Aber genau dafür scheinst du dich dann doch zu halten, ansonsten würdest du die ganze Angelegenheit nicht zu einem Problem machen.“

Er blickt mich einen Wink zu selbstgefällig an. Danke Dr. Freud, ich wurde durchschaut. Was ich natürlich nie zugeben würde.
„Nette Psychoanalyse. Hast du noch irgendeine Anmerkung oder können wir diese sinnlose Diskussion jetzt beenden?“, blaffe ich ihn an.
Noah grinst. Aber es ist kein nettes Grinsen. „Ja, eine Anmerkung hätte ich da noch.“
Ich sehe ihn erwartungsvoll an.

„Hol deinen Kopf aus dem Loch, dass du dir gegraben hast. Und hör auf dich selbst zu bemitleiden. Komm zurück ins Leben, sieh nach vorn. Und verstoße nicht die Leute, die es gut mit dir meinen.“

Okay. Seine Worte treffen mich irgendwo zwischen Magen, Niere und Leber. Ein blödes Gefühl breitet sich in meiner Körpermitte aus. Er hat Recht. Ein kleines bisschen. Verflucht.
Ich weiß, dass ich mir selbst im Weg stehe. Teilweise zumindest. Und ich bin manchmal zu stolz. Trotzdem: Warum sprechen wir auf einmal über meine emotionalen Unzulänglichkeiten, wo ich doch eigentlich Noah auf seine Fehler hinweisen wollte? Und jetzt fordert er mich dazu auf, ihn nicht zu verstoßen.

„Du meinst es nicht nur gut mit mir, Noah. Du meinst es zu gut!“
„Inwiefern?“
„Nur reines freundschaftliches Interesse?“, frage ich sarkastisch.

Seine hübschen Augen weiten sich. Ein bisschen zieht sich mein Herz zusammen. Der Schritt ist gewagt, gemein und kommt aus dem Hinterhalt. Ich hatte nicht vorgehabt ihn auf seine Gefühle bezüglich meiner Person anzusprechen. Aber ich sehe keinen Ausweg mehr.
Im Grunde geht es doch darum, dass ich nicht will, dass sich Noah in mich verliebt. Dass er mich nicht wie ein Opfer behandeln soll, war schlicht die sanfte Methode um ihm zu sagen, dass ich keine Avancen seinerseits empfangen kann und möchte. Es wird wohl endlich mal zeit Tacheles zu reden.

„Vielleicht sollten wir aufhören um den heißen Brei herum zu reden?“, frage ich ihn, da er immer noch nicht geantwortet hat und mich ganz seltsam ansieht.
Er bleibt mir eine Antwort schuldig. Stattdessen greift er zu seinem Weinglas und stürzt den roten Inhalt in einem Zug herab. Kommt mir bekannt vor, diese Handlung. Ich hab wohl mitten ins Schwarze getroffen. Wozu diese Show hier abziehen, wenn ich auch gleich zugeben könnte, was mich genau daran stört, wie er mich behandelt.

„Warum hast du mich zum Abendessen eingeladen?“
„Damit wir uns näher kommen.“, antwortet er mutig und sieht mich jetzt sehr sehnsüchtig an. Spricht da der Alkohol aus ihm? Sein Blick zieht mich in seinen Bann, als wäre er ein indischer Guru, der mich hypnotisieren will. Aber ich schüttel mit dem Kopf. Reiße mich von seinem Anblick los, auch wenn es mir schwer fällt.
„Das ist nicht gut.“
„Warum bist du dann gekommen?“, fragt er.
„Ich... ich weiß nicht.“
„Du fühlst dich auch zu mir hingezogen.“, stellt er fest.
„Nein.“
„Doch.“
„Nein!“
„Gib es zu!“
„Vielleicht...“

Und in diesem Moment greift mich etwas an den Oberarmen, zerrt mich nach vorn und auf meinen Lippen landet ein weicher, gieriger Mund. Noah hat mich fest gepackt, die Initiative ergriffen und presst mich an sich. Ich bin völlig perplex. Er küsst mich. Und es fühlt sich gut an. Als sollte es so sein. Ich weiß garnicht, wie mir geschieht. Stocksteif stehe ich da, während der Pfarrersjunge seine Arme um mich schlingt und kleine, heiße Küsse auf meine Lippen haucht. Ich bin völlig überwältigt und ohne zu überlegen reagiere ich instinktiv.

Ich lass mich in seine Umarmung fallen und erwidere diesen überstürzten, völlig unerwarteten Kuss. Noah spürt, dass ich nach nicht mal fünf Sekunden auf seinen Überfall eingehe und legt sich jetzt richtig ins Zeug. Seine Lippen berühren mich fordernd, seine Hände streichen über meinen Rücken und sein überhitzter Atem schlägt mir entgegen. Und ich mache mit. Ohne zu denken, ohne zu wissen, was hier überhaupt vor sich geht. Wir küssen uns wie zwei notgeile Teenager und klammern uns regelrecht aneinander. Mein Gehirn setzt aus. Ich spüre nur noch Noah. Seine Nähe, seine Hände, sein Körper, seine süßen Lippen. Und sein Geruch. Er riecht so verdammt gut. Es ist so ungewohnt und gleichzeitig so vertraut. Und doch so anders. Aufregend.

Ich kann nicht anders und schiebe meine Zunge in seinen Mund, gehe auf Erkundungstour. Er geht sofort darauf ein, unser Atem beschleunigt sich und unsere Zungen tanzen miteinander. Ein leises Keuchen entweicht seiner Kehle. In mir zieht sich alles zusammen, weil sich dieser Ton einfach nur sehnsüchtig anhört und mich zu mehr auffordert.
So stehen wir da. In seinem Zimmer. Eng umschlungen, küssend. Es ist wie die Karikatur aus der Hand eines hoffnungslosen Romantikers. Happy End. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende...

Mitten im Zungenspiel trifft mich die Erkenntnis. Ich habe noch nie jemanden anders als Chris so leidenschaftlich geküsst. Ungewollt stelle ich einen Vergleich an und stelle fest, dass es sich zwar gut, aber falsch anfühlt. Noah ist viel größer, viel muskulöser und trotzdem sanfter. Und nicht Chris.
Was tue ich hier? Atemlos ziehe ich meine Zunge zurück und keuche. Mit klopfendem Herzen löse ich mich ein Stück aus Noahs fester Umarmung. Er lässt mich nur einen winzigen Zentimeter zurückweichen. Lächelnd und unglaublich liebevoll sieht er mir tief in die Augen. Er wirkt, wie im siebten Himmel.

„Wow.“, haucht er.
Ich kann irgendwie nichts sagen. Ich weiß grad überhaupt nicht, was ich davon halten soll, wie es mir geht, geschweige denn, was ich will. Ich bin überfordert.
Und ich bekomme keine Luft. Die körperliche Nähe bereitet mir plötzlich Panik und als ich sehe, wie Noah seinen hübschen Lockenkopf schon wieder neigt und seine Lippen diesmal langsam auf mich zukommen, stoße ich mich heftig von ihm los.

Wild atmend drehe ich mich von ihm weg, stütze mich auf seinen Schreibtisch ab und versuch meine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen. Oh mein Gott.

„Hey, alles gut?“, dringt Noahs fürsorgliche Stimme an mein Ohr und ich spüre sein Hand auf meiner Schulter. Wie ein angestochenes Erdschwein zucke ich zusammen und fahre wieder zu ihm herum. „Nein.“, japse ich. „Das war falsch. Du hast mich überrumpelt. Noah... ich kann das nicht. Ich... das ist zu viel. Es tut mir leid.“

Dann lasse ich ihn stehen. Sein Anblick bricht mir das Herz. Aber ich muss hier weg, schnappe meine Tasche und flüchte aus seinem Zimmer, als wär der Leibhaftige hinter mir her. Keine nette Metapher für einen Pfarrersjungen.

„Anna, warte! Lass uns darüber reden!“, ruft er noch. Ich beachte ihn nicht. Weg! Nur weg.

--------------------------

Kommentar:

I\'m still alive!!
Nach einem Urlaub, einer Weisheitszahn-OP (Aua!), viel Arbeit und kaum Freizeit, musste ich erstmal wieder meine Motivation suchen, die sich irgendwo im hintersten Teil meines Kellers, zwischen Spinnen und Asseln, versteckt hatte ^^
Doch jetzt ist sie wieder da, frisch gewaschen und voller Tatendrang.
Ich hoffe, ihr seid noch mit dabei! Bei einer Dame bin ich mir auf jeden Fall sicher, dass sie sich freuen wird *zu-Nikka-schiel* ^^

LG Maggie






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz