Atemzeit.. - Teil 18

Autor: Caprice
veröffentlicht am: 23.08.2012


Ein Knurren, dass aus der Ferne zu kommen schien, ertönte in meinen Ohren.
Als ich die Augen aufschlug, waren die anderen schon auf den Beinen und in Angriffsposition. Sie standen dicht nebeneinander vor dem Höhleneingang. In ihren Händen glüten große, funkelnde Flammen, die die Decke in einem klaren blau erhellten. Caprice war ebenfalls aufgeschrekt und hatte nach meiner Hand gegriffen, die sie immer noch krampfhaft umschloß. „Was war das?“ Fragte sie nervös und wandte den Kopf zum Eingang. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich von draußen Schritte hörte. „ Gorron´s Späher. Sie haben uns gefunden.“ Ein Aufflackern von Schmerz war in Michael´s Stimme zuhören. Shadow´s! Der Gedanke an meine letzte Begegnung mit ihnen, versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Ich knirschte mit Zähnen und drehte den Kopf zu Caprice. Ein ängstlicher Ausdruck trat in ihre Augen. Ich holte tief Luft und legte den Kopf zur Seite. „Keine angst. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.“ Ich zog sie am Handgelenk hoch und strich ihr sanft über die Wange, die warm war. So sehr. „Ich werde dich beschützen.“ Sie schürzte die Lippen, sah mich mit großen Augen an und nickte. Ein verunsichertes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Seith!? Wir könnten deine hilfe gebrauchen. JETZT!“ Michael´s Stimme klang hart, wie Stahl. Ich hörte einen Shadow draußen aufschreien. Sie mussten ganz nah sein. Ich zuckte zusammen, umspielte ein Lächeln, dass nur für das Mädchen mit den Bernsteinbraunen Augen war und stellte mich neben Michael, der mich scharf ansah und dann den Blick wieder nach draußen, auf etwas, dass dort passierte, richtete. „Bleib hinter uns Caprice.“ Befahl er ihr. Seine Miene war ernst und fokusiert.
Raziel und Zadkiel sahen angespannt aus. Ihre muskulösen Körper gleichten dem eines Soldaten. Wenn man es genau betrachtete, waren sie nichts anderes. Sie sind eine der stärksten Waffen, die der Himmel besitzt. Erzengel, Gelehrte und Gottes Boten. Auch in unserer Welt gibt es Abstriche. Eine Hierarchie. Ein Engel ist nicht gleich ein Engel. Ich bin ein gewöhnlicher, ein einfacher Bote. Sie dagegen sind viel mächtiger, viel bedeutungsvoller und viel wichtiger, als ich es jemals sein werde.
„Ich kann sie sehen.“ Ich schaute zu Zadkiel, der Michael durchdringend ansah, als würde er wissen, was dieser denkt. Es waren viele Schattengestalten vor dem Höhleneingang zu erkennen- Zu viele. Ich schauerte. „Das wird eine lange Nacht.“ Warf Raziel ein und stöhnte. Seine Stimme hatte etwas magisches. Etwas weltfremdes. Der Raum füllte sich mit Anspannung. Ich verspürte das gleiche beunruhigende Gefühl, wie zuvor im Silveertal. Ich schluckte kläglich und versuchte die Hitze, die in mir aufglüte, zu verdrängen. „Wie fühlst du dich?“ Erkundete sich Michael und ließ seinen Blick auf meine Hände gleiten. In seiner Stimme lag ein besorgter Tonfall, den ich nie zuvor gehört habe. Meine Hände waren von einem feinen, hellen rot umrandet, dass durch die Hautoberfläche trat. Ich ballte sie.
„Bereit.“ Antwortete ich selbstbewusst und richtete meinen Blick nach vorne. Er nickte mit dem Kopf und schwieg für einen Moment. Seine hellblauen Augen wirken noch angespannter, als zuvor.
Raziel zeigt mit dem Finger in die Dunkelheit. „Dort. Sie kommen!“ Schrie er fast euphorisch und ließ beide Flammenbälle aus seinen Händen, in die Nacht sausen. Ein schmerzverzerrtes, tiefes Heulen folgte auf den Schlag. Raziel hatte gekonnt, gleich zwei von ihnen erwischt. Die katzenähnlichen Kreaturen krümmten sich krampfhaft auf der Walderde und zerbröckelten in flammenstehend, nicht weit entfernt, zu Staub. Eine feine Ascheschicht bildete sich über den qualmenden Überresten und man konnte sofort die zornigen Fauchlaute ihrer Artgenossen hören, die die sternenklare Nacht erfüllten. Sie machten sich bereit. Immer mehr Shadow´s schlürften aus dem Wald, in die baumlose Lichttung und blieben dann, wie angewurzelt, stehen. Es mussten ein Dutzend sein, oder mehr. Die halbe Wiese, war bereits übersäht. In meinem Kopf hörte ich einen Schrei, der einfach nicht aufhören wollte. Keuchend hielt ich mir die Stirn. Da war es wieder. Dieses Gefühl. Die kehlige Stimme in meinem Kopf, die mir sagte, dass ich sie besiegen könne. „Seith!“ Michael´s blasses Gesicht schaute an mir hoch. „Alles inordnung?“ „Ja, geht schon.“ Antwortete ich und bemerkte den zornigen Unterton in meiner Stimme. „Du musst es lernen zu steuern.“ Michael sah mich eindringlich an, als würde er ahnen, dass gerade ein Krieg in mir tobte, den ich dabei war, zu verlieren. Ich hatte kein interesse daran, mir Vorwürfe machen zu lassen.
„Ich sagte, es geht schon!“ Stieß ich hervor. Michael kniff die Augen zusammen, trat einen Schritt aus der Höhle und flüsterte irgendetwas, in einer anderen Sprache, in die Dunkelheit. Ein strahlendes, weisses Licht erschien am Horizont und erhellte den Himmel, um die Lichttung. Die Shadow´s wichen geblendet zurück. Man konnte ihre zusammengezogenen, lichtempfindlichen Gesichter erkennen, die frustration in ihren Augen lesen. Ich lächelte bei ihrem gequälten Anblick. Was ist das? Frage ich mich. Eine kurze Stille trat ein und eine ungewisse Minute zögerten Raziel und Zadkiel und starrten geistesabwesend auf die unzähligen Kreaturen, die neben Gras und Bäumen lauerten. Ich wollte nicht mehr warten. Ich wollte handeln und entfachte eine purpurne Feuerkugel, die ich gegen der ersten Shadow schleuderte, den ich sah. Er zersprang förmlich, als mein Feuerball in ihm einschlug. Wie eine Vase, die jemand gewaltsam zerbrochen hatte. Ich konnte einen Shadow töten!? Ohne, dass Syril es mir beibringen musste.
„Komm schon.“ Murmelte Michael in den Himmel, als warte er auf etwas. Ich bin zu sehr mit dem Feuer beschäftigt, dass in meinem Kopf auflodert und frage nicht nach. Stattdessen gehe keuchend in die Knie. Es läßt mich nicht los. Der Schmerz hinter meiner Stirn beginnt zu hämmern und zu pochen. Meine Hände brannten, als würden sie in Lava getaucht und mein Kopf fühlte sich an, als würde er in tausend Stücke zerbrechen. „Konzentrier dich!“ Höre ich Michael´s Stimme in mein Bewusstsein dringen. Er hilft mir auf die Beine. Ich konnte die besorgte Miene von Zadkiel vor mir erkennen, er blickte sich um, sah Caprice an, die wartend und besorgt zu mir schaute und richtete seine Handflächen auf die beiden Shadow´s, die dem Höhleneingang am nächsten waren. Sie knurrten versteinert von dem Licht und bewegten sich nicht. Zadkiel brauchte nur einen Schuß, um sie zu erledigen. Sie gingen krampfend in Flammen auf und zerfloßen regelrecht zu einer schwarzen, dickflüßigen Pampe. „Perfekt!“ Keuchte Raziel und erledigte die nächsten beiden, die etwas weiter am düsteren Waldrand standen.
„Da gibt sich jemand wirklich Mühe, uns den Tag zu versauen.“ Sagte Raziel mit angestrengter Stimme und umspielte ein genervtes Lächeln. „PASS AUF MICHAEL!“ Schrie die melodische Stimme. Ich drehte mich zu ihr. Irgendetwas verpasste mir einen harten Schlag und fegte mich rücklings von den Beinen. Ich krachte gegen die schroffe Höhlenwand und rutschte benommen zu Boden. Was war das? Ist der erste Gedanke in meinem Kopf, als ich langsam realisiere, was passiert war. Ich stützte mich von der Erde ab und versuchte den Schwindel auszublenden, der mich überkam. Dann sah ich das Blut, dass von meinem Kopf, über die Stirn, auf meine Hände tropfte. Ich spürte den Schmerz an meinem Hinterkopf nicht und stand hinkend auf. „Seith! Oh gott. Bist du ok?“ Caprice kam stolpernd auf mich zu und half mir aufzustehen. Sie sah mich mit furchterregender Miene an. „Ja, alles ok.“ Antwortete ich und lächelte schief. Ich wollte nicht, dass sie sich sorgen machte. „Wo ist Michael?“ Frage ich in den Raum. Caprice schüttelte den Kopf. Was soll das bedeuten? „Wo ist er?“ „Runter!“ Schrie Zadkiel und feuerte einen enormen Lichtblitz auf die Hand der Kreatur, über der Höhle, als diese erneut hineingriff. Der Gefangene wich reflexartig der Hitze seines Sky´s aus und zog seine Hand gen Himmel. Raziel schob sich vor Caprice, umfasste ihr Handgelenk und brachte sie ins innere der Höhle. Ich schaute ihnen nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwanden. „Keine Sorge, er wird gut auf sie aufpassen.“ Sagte Zadkiel, als er meinen besorgten Gesichtsausdruck sah. Ich nickte stumm. „Ein Gefangener hat Michael.“ Seine Stimme klang sanft und besorgt zugleich. Ich schaute angespannt auf den Höhleneingang. Eine Flamme bereit zum Angriff loderte in Zadkiel´s Hand. Die Shadow´s rührten sich immer noch nicht. Was auch immer Michael mit dem Himmel gemacht hatte, es sorgte dafür, dass sie auf Abstand blieben. Sie verharrten, wie Statuen vor- und in dem Wald, zu unseren Füßen. Ihre giftgelben Augen reflektierten das Licht und man konnte sehen, dass sie uns genau beobachteten. Dem Gefangenen machte das Licht nichts aus. Er kauerte auf einem schmalen Vorsprung oberhalb des Höhleneingangs und wartete nur darauf, dass wir einen Fehler machten. Ein rasselndes, gurgelndes Geräusch drang aus seiner Kehle. Es war widerlich. „Was sollen wir jetzt tun?“ „Ich werde rausgehen und Michael holen. Du wartest hier!“ Sagte Zadkiel mit ernster Miene und entfernte sich ohne ein Wort von mir. Ich fuhr mir an die Stirn und blieb, wie versteinert stehen. Es wurde unnatürlich still. Fast unerträglich Still. Der Himmel leuchtete in einem konstanten, klaren Licht. Ein seltsames Geräusch ließ mich zusammenfahren. „NEIN!“ Schrie ich aus voller Kehle, bis es schmerzte und rannte nach draußen. Ich warf einen verzweifelten Blick auf die Erde. „Zadkiel?“ Er fiel Kopfüber auf den Rasen. Bleich und leblos. Es gab keinen Schrei oder Ruf, nur ein dumpfes Geräusch eines Aufpralls. Sein Mund war leicht geöffnet, sodass ich hören konnte, dass er noch atmete. Erleichterung durchströmte mich. Dann schreckte ich wieder auf. Der Gefangene. Ich wandte mich ab und drehte mich um. Er saß auf einem Felsvorsprung über der Höhle und lachte. Sein kehliges, häßliches Lachen erfüllte die Stille. Er sah mich eindringlich an. Ich ballte meine Hände und wollte gerade los rennen, als mich sein Anblick zusammenschauern ließ. Michael? Ich hielt inne. Er hing leblos zwischen einer Felsspalte, die durch das Gewicht des Gefangenen, auf der Oberseite, entstanden sein muss. Wut überkam mich und dieses mal, machte sie mir keine angst. Ich wollte dieses Gefühl. Jetzt. Wollte brennen und zerstören. Ich warf meine Hände über den Kopf. Soviel Energie, wie ich konnte zog ich aus dem Inneren meines Seins. Je mehr. Je besser. Ich spürte die Kraft, die in mir aufkochte. Fühlte die Hitze. Mehr denn je. Meine Fasern brannten und mein Kopf explodierte förmlich vor Schmerz. Doch, es war mir egal. Ich wollte diesen Gefangene und ich wollte ihn- blutig. Auf einem Silbertablett. Aus meinen Handflächen loderten Flammen, dicke, rote, tobende Feuerwalzen. Der Gefangene zuckte zusammen. Ich lachte. So laut. So kehlig und stürmte los. Ich konnte die auffkommende angst in seinen Augen sehen. Nicht nur meine Hände brannten. Ich brannte. Aus sämtlichen Stellen meines Körper schoßen Flammen. Ich stand in Flammen. Lichterloh. Ich hatte das Gefühl, dass ich gar nicht viel Kraft für den Sprung brauchte. Nur ein kurzes Antippen und schon landete ich neben dem Gefangenen, auf dem Felsvorsprung. Ich griff nach seiner Kehle und hielt in hoch in die Luft. Er war nicht schwer. Obwohl er viermal so groß war, wie ich. Es war federleicht ihn so zuhalten. An der Kehle. Dort, wo das Blut fließt. Sein schmerzverzerrtes Gesicht gefiel mir. Die Angst in seinen Augen, konnte mich nicht satt sehen. Dass wissen, das der tod, die Hölle, nichts im Vergleich zu dem Ort war, wo ich ihn hinschicken würde. Ergöze mich an diesem Gedanken.
„Du weisst wohin ich dich schicken werde, nicht wahr? Du häßlicher Parasit!“ Stumm zermalmt er die Schreie in seinem Mund, bis er blutig ist und seine Augen sich in den Höhlen, krampfhaft, nach innen drehen. Der Blick ist weiss und in ihm, alle Antworten von nichts. Ich benötige lediglich eine kleine Bewegung um mein Werk zu beenden. Es erfolgt ohne Anstrengung. Ohne Reue. Ich verbrenne die Überreste. Will sichergehen, dass er im Fegefeuer schmort und drehe mich anschließend, zufrieden -um. Als ich mich umdrehte, war nicht nur der Gefangene tot, sondern auch die Shadow´s. Alle. Im leisen Licht des Morgen´s. Rot von der Schneide. Begegnete mir der Tod. Schweigend. Was habe ich getan? Mit dem letzten Rest klarheit erreiche ich Michael und ziehe ihn, zittrig, aus dem hartnäckigen Fels. Er ist nicht verletzt. Trägt keinen Kratzer. Nirgends ist Blut. Meine Sicht verschwimmt, als ich in sein Gesicht sehe, dass ruhig ist. So sehr. Ich sehe mich um und erkenne. Meine Hände sind verbrannt. Meine Kleider an manchen Stellen durchgeschmort. Erschöpft lasse ich mich auf seinem Brustkorb fallen und sinke in eine düstere Leere.






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