Gifted - Die Befreiung - Teil 38

Autor: Aven
veröffentlicht am: 12.02.2014


Hi liebe Leser,
nach langer Pause geht es nun weiter und ich bin fest entschlossen, bald ein Ende zu finden.
Das Buch ist jetzt auch bis zum aktuellen Teil als e-Book zum Download erhältlich.

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Da gibt es auch weitere Werke von mir zu lesen.

Jetzt viel Spaß bei Teil 38. Über Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen :)
LG Aven


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Nachdem sie sich abgetrocknet und in die flauschigen Frotteehandtücher gewickelt hatten, setzte sich Pareios auf den Stuhl in der Dusche und zog sie auf seinen Schoß. Lange umschloss er sie und vergrub das Gesicht in ihrem feuchten Haar. Aurelia kuschelte sich an seine kräftigen Schultern und wollte den Moment nicht enden lassen, in dem sie so etwas wie Frieden in seinen Armen empfand. Es verblüffte sie, dass die Gefühle zu Pareios stark genug waren, um mit denen für ihr Gegenstück zu konkurrieren, zumindest jetzt noch. Vage erfasste ihr Verstand, dass ihre einzige Option, ihre Emotionen zu beeinflussen, in ihren Handlungen lag.

Wenn sie Abstand zu Dante hielt und sich weigerte, ihn näher kennen zu lernen, konnte sie womöglich verhindern, dass die Verbindung zu ihm so stark wurde, dass sie die zu Pareios überschattete, auch wenn sie Dante nicht vergessen würde können. Bräche sie den Kontakt zu Pareios ab, würde der umgekehrte Fall eintreten.

Es lag also an ihr, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die sie weder treffen wollte, noch konnte, nicht heute und auch nicht in der Zukunft.



Sachte legte er sie auf dem Bett ab und gab ihr einen letzten Kuss, bevor er verschwand um Kleidung und etwas zu Essen zu besorgen.

Wenig später saßen sie beide angezogen auf der Bettdecke und ließen sich Pareios‘ Errungenschaften schmecken. Er hatte leckeren Braten mit Soße und Kartoffelpüree aufgetrieben, dazu ein paar gedünstete Brokkoliröschen. Aurelias Geschmacksknospen jubilierten unter den Ansturm der Aromen des deftigen Fleisches und des cremigen Pürees und sie verschlang alles genüsslich. Gründlich kratzte sie die letzten Reste vom Porzellan, spähte dabei schon auf Pareios‘ Teller, den er bis jetzt nicht angerührt hatte und den er ihr nun auch noch herüber schob. Nach der zweiten Portion lehnte sie sich gesättigt und leicht schläfrig zurück, eine Hand auf den gut gefüllten Bauch gelegt. Tatsächlich waren die Schmerzen nicht zurückgekehrt, jetzt wo das Schmerzmittel langsam abflaute. Die Nahrung tat ihr übriges, sodass Aurelia sich schon fast wieder wie die Alte fühlte, lediglich ein leichtes Zwicken in Brust und Schulter erinnerte an ihre Verletzungen. Nach ein paar weiteren Stunden würde man davon keine Spuren mehr entdecken können.

Pareios rückte neben sie und stützte den Rücken ebenfalls am Kopfteil ab. „Du hast dich sehr schnell erholt.“

„Es liegt an ihm.“ antwortete sie und biss in den sauren Apfel, ihm die Wahrheit zu sagen. So sehr sie sich auch gewünscht hatte, dem bevorstehenden Gespräch zu entkommen, sie konnte es nicht länger aufschieben, vor allem, da es nicht nur ihr privates Problem betraf. „Er ist mein Gegenstück.“

Der Dunkelhaarige erstarrte und Aurelia wagte kaum zu atmen, während sie zu ihm herüber sah. Er hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht zu deuten und auch wenn nicht ersichtlich war, dass ihn die Worte getroffen hatten, ihr tat alles weh. Sie holte tief Luft und wappnete sich gegen seine Reaktion.

„Und was wirst du jetzt tun?“ Sehr leise.

„Ich… weiß es nicht. Er ist der Mann, den ich in meiner Vision von den Steinen gesehen habe, Pareios.“ Er fuhr ruckartig herum und starrte sie entsetzt an. „Er könnte der Feind sein…., oder meine Rettung.“

„Das heißt, ich habe nicht nur dein Gegenstück in den Bunker geholt, sondern auch noch dafür gesorgt, dass deine Vision jetzt tatsächlich eintreten kann?“ Schlagartig stieg die Raumtemperatur an. Pareios strahlte eine derartige Hitze ab, dass sie von ihm abrücken musste, um den Auswirkungen seiner Wut zu entgehen. Als er bemerkte, wie Aurelia Reißaus nahm, riss er sich jedoch schnell am Riemen.

„Es ist nur, ich… Du hättest dich nicht für mich opfern sollen. Du wärst beinahe gestorben und wozu? Du hast eine Zukunft, ein Schicksal, das auf dich wartet und noch vor dir liegt. Ich dagegen… habe jetzt nur noch die Vergangenheit. Es hätte keinen Unterschied gemacht.“

Hätten sich Silben manifestieren können, hätten sie Aurelia ins Fleisch geschnitten. Dieser verzweifelte, traurige Zorn in seiner Stimme. Die Worte, die klangen, als hätte sie sich schon entschieden, als befänden sie sich bereits am Ende des gemeinsamen Wegs.

Panik stieg in Aurelia auf. Die Möglichkeit, dass Pareios ihr die Entscheidung abnehmen könnte, war ihr bisher nicht in den Sinn gekommen. Aber wenn sie darüber nachdachte, war die Reaktion nur logisch. Welche Optionen hatten sie denn? Ein Leben mit ihm würde immer von dem Wissen beeinträchtigt werden, dass ihr Gegenstück irgendwo da draußen war. Dass eine Verbindung zu einem Menschen existierte, die mit nichts anderem zwischen Himmel und Erde verglichen werden konnte. Wie hätte er gegen so etwas ankommen sollen?

Andererseits gab es auch nichts, zu dem er hätte zurückkehren können und wenn sie sich für ihn entscheiden sollte, dann wäre er doch offensichtlich ihre erste Wahl. Es musste doch einiges wert sein, vor einem Gegenstück den Vorzug zu erhalten. Sie hatte noch nie davon gehört, dass ein Elevender, der sein Gegenstück getroffen hatte, sich dagegen entschied, mit ihm zusammen zu sein. Ob dies trotzdem schon ein Mal vorgekommen war? Vielleicht, wenn man auf gegnerischen Seiten stand, aber so?

Neben ihrer Betroffenheit empfand sie nun ebenfalls Wut darüber, dass er sich bereits vor ihr zurückzog. Doch gleichzeitig entstanden Schuldgefühle, weil sie so egoistisch war, dass sie ihn nicht los lassen wollte. Und dann auch noch der Ärger und das Unverständnis, dass er es dafür sehr wohl konnte, auch wenn es ihn verletzte. Er war immer der stärkere von ihnen beiden gewesen. Also antwortete sie schärfer als beabsichtigt: „Wag‘ es nicht, so etwas noch ein Mal zu sagen. Wag‘ es nicht, so zu tun, als wäre jetzt alles vorbei.“

Pareios war aufgesprungen. Neben dem Bett stand er nun, die Luft um ihn herum flirrte vor Hitze, seine Pupillen glühten weiß. „Ach nein, was ist es denn dann? Was glaubst du, das du mir jetzt noch anbieten könntest? Denkst du, ich könnte dich für mich beanspruchen, wenn ich doch weiß, dass dein Gegenstück den Gang runter sitzt? Hältst du mich für einen verkappten Masochisten?“ Erschrocken bemerkte Aurelia, dass ihr Geliebter ihr gegenüber noch nie laut geworden war, umso mehr Gewicht bekam die Tatsache. Dann verengte er die Augen und sein Tonfall wurde ätzend. „Oder hast du etwa gehofft, dass wir zu dritt ins Wunderland einreiten?“

„Nein!“ Entschieden wies sie den Vorwurf von sich, sie hätte vor Entrüstung aufschreien können. Dante war der Kerl aus ihrer Vision, ganz bestimmt hatte sie keins der Szenarien im Kopf gehabt, die Pareios ihr entgegen schleuderte. Aber sein Aufbrausen stachelte sie an und bot auch ihr ein Ventil für ihre Verzweiflung und Trauer über die ausweglose Situation, weshalb sie nun ebenfalls brüllte. „Ich kann das nicht. Ich kann mich nicht einfach so umdrehen und alles, was wir erlebt haben, was zwischen uns ist, begraben. Es ist ja schön für dich, wenn du es kannst, aber ich nicht! Ich nicht, kapiert!?“

„Entschuldige bitte, ich vergaß, dass du ja hier die ewige Masochistin bist.“ Hände ringend schritt Pareios auf und ab, die Atmosphäre im Raum pulsierte von der Energie, die er abstrahlte. „Aber dein Mitleid kannst du dir sonst wohin schieben! Du kannst nicht alle davor retten, allein zu enden. Hör‘ verdammt noch Mal damit auf, dich für mich zu opfern!“

Der Zorn zwischen ihnen beiden stieg weiter an. Aurelia war mittlerweile so erzürnt, dass sie aufsprang. Am liebsten wäre sie auf ihn zu gerannt, um ihn zu schütteln, damit er wieder zur Vernunft kam. Er konnte doch nicht allen Ernstes beabsichtigen, es so enden zu lassen? Die Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen, als sie die Fäuste ballte.

„Ich opfere mich nicht für dich. Ich bin eine selbstsüchtige Person, falls dir das bisher entgangen ist. Kannst du denn nicht begreifen, dass mir das Herz heraus reißen müsste, um dich zu vergessen?“

Ein leises Grollen erschütterte den Boden und die Wände, sodass das Licht flackerte und das Bettgestell zu klappern begann. Pareios‘ Anblick ähnelte einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. Seine innere Zerrissenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben, all die widersprüchlichen Emotionen lagen in der Luft, die interessanterweise nach Rauch schmeckte.

„Hör‘ auf! Nicht ein einziges Wort mehr!“

„Nein, ich..“

„Warum willst du mich quälen?“

„Ich will dich nicht quälen, ich liebe dich!“ Die Mischung aus Sehnsucht, Angst und Wut trieb ihr die Tränen in die Augen, die kurz darauf über ihre Wangen rannen.

Mit einem Knall implodierte die Energie im Raum, die Stühle flogen gegen die Wände und die Milchglasscheibe der Schiebetür zum Bad zersprang in tausend scharfkantige Scherben, welche herab regneten und einen glitzernden Sternenteppich auf dem Boden bildeten. Die Druckwelle aus heißer Luft hätte Aurelia von den Füßen gerissen, wenn sie nicht im selben Augenblick in Pareios‘ Arme gezogen worden wäre. Mit Sicherheit verpasste sie ihm ein paar Striemen an den Schultern, als sie sich darin verkrallte. Ihre Lippen suchten bereits die seinen, voller Verlangen danach, die Probleme zwischen ihnen wegzuwischen. Beide schwelgten in einer Art zornigen Begierde. Dadurch wurde der Kuss grob, strotzte nur so vor Aggression, aber sie hielten dagegen, versuchten, die Verletzung anders zum Ausdruck zu bringen, weil es keine Lösung für ihr Dilemma zu geben schien. Pareios zerquetschte sie fast, während er sie an sich presste, die eine Hand besitzergreifend auf ihrem Nacken und doch konnte sie ihm nicht nah genug sein.

Nach einem endlosen Moment lösten sie sich keuchend von einander und sahen sich an. Die Welt wäre nicht genug gewesen, um die unausgesprochenen Gefühle zu ermessen, die zwischen ihnen waren. Aber trotz allem standen sie da, mitten in einem Scherbenhaufen, in flimmernder Hitze, umringt von Zerstörung und hielten sich, so fest sie nur konnten.







Aurelia stand in ihrer Kammer. Sie ließ den Blick über ihre Habseligkeiten gleiten, die eigentlich keine waren. Alles war Teil der Einrichtung des Zimmers, außer der Kleidungsstücke in dem kleinen Schrank gehörte ihr nichts und hatte auch keine Bedeutung für sie. Trotzdem hatte sie es immer als ihr Zimmer betrachtet, zumindest eine Art Rückzugspunkt darin gesehen, eben einen Ort, an dem man sich ausruhen und nicht ungefragt gestört werden konnte.

Doch die Rückkehr war bei Weitem nicht so zufriedenstellend, wie es angemessen gewesen wäre. Zu viel hatte sich verändert seit sie das letzte Mal hier gewesen war, neben der Richtung, die ihre Mission nahm, auch sie selbst. Ihre Wohnung war eine winzige Kammer, ein Einzelzimmer mit einer Pritsche, die kaum neunzig Zentimeter maß, gedacht für einen einzelgängerischen Jäger, der wenig zu Hause war und den Raum eigentlich nur zum Schlafen nutzte.

Jetzt war sie nicht mehr allein. Sie war nun nicht nur an einen, sondern irgendwie sogar an zwei Männer gebunden und angesichts dieser Tatsache fühlte es sich an als hätte sie sich in der Tür geirrt, als sie ihr ehemaliges Heim betreten hatte.

Am liebsten hätte sie gleich ihre Sachen aus dem Schrank genommen und um ein neues Zimmer gebeten, aber sie hatte im Moment weitaus größere Probleme. Nachdem sie so selbstsüchtig gewesen war, Pareios zu halten, ihn nicht einfach so abzuschreiben und er seinem eigenen Verlangen nachgegeben hatte, zu bleiben, waren sie zu einer Art stillschweigenden Übereinkunft gekommen. Die Klärung dieser verworrenen Dreiecksgeschichte war zwar dringend notwendig, aber andere Dinge hatten mehr Priorität. Dass Dante sich als nebulöser Erlkönig entpuppen könnte, war dabei nur die Spitze des Eisbergs. Gregorowizc musste verhört werden, um ein Licht in die Unterlagen aus Berlin zu bringen und den Entstehungszweck der Steine zu erfahren. Außerdem musste geklärt werden, ob der Rat und der Orden, die sich bald versammeln würden, über die dunklen Geheimnisse der Steine Bescheid wussten. Immerhin war es möglich, dass Markus ihnen diese Information verschwiegen hatte, was erklären würde, warum sie sich in falscher Sicherheit wägten und Pläne schmiedeten, welcher Gestalt diese auch immer sein mochten.

Dass Markus vorhatte, eine Waffe zu kreieren war wohl mittlerweile keine Frage mehr, aber ob es auch der Rest des Rates wusste, stand auf einem anderen Papier. Sie musste dringend mit Evrill sprechen und Viktor hatte bereits die Idee aufgebracht, Kontakt zum Venus-Orden aufzunehmen, wobei Aurelia ganz seiner Meinung war.

Nachdem sie sich also noch ein wenig ausgeruht hatte, machte sie sich auf die Suche nach dem weißhaarigen Elevender, um ihn um ein paar Anrufe zu bitten, bevor sie sich der Befragung des Wissenschaftlers widmen wollte.

Sie war zur Tür raus und hatte schon ein gutes Stück Weg hinter sich, als ihr auffiel, dass sie ohne Nachzudenken den Weg zu Pareios‘ Zimmer gewählt hatte. Verwirrt blieb sie stehen, geplagt von nagenden Schuldgefühlen. Ein Déjà-vu packte sie. Hatte sie all das durchmachen müssen, nur um wieder in der Schuldgefühl-Mühle zu landen? Ihr Schicksal hatte wohl einen Sinn für Sadismus.

Nach kurzer Überlegung und einem Blick auf die Uhr – es war Abendessenszeit - richtete sie ihre Schritte in Richtung Speisesaal. Da hatte sie jetzt wahrscheinlich die größten Chancen, Evrill zu finden.

Der hell erleuchtete Raum war vollgestopft mit Elevendern, die im Bunker lebten, oder zu Gast waren. Aurelia hatte jedoch nicht bedacht, dass nicht nur Evrill zum Essen anwesend sein könnte. An einem langen Tisch in der Ecke saß ihr komplettes Team, ergänzt von ihrem neuen Kollegen, und unterhielten sich mit gesenkten Köpfen.

„Aurelia!“ rief Row, als sie sie entdeckte. Sofort machte sie Platz und rutschte noch ein weniger Näher zu Aiden, der auf ihrer anderen Seite saß. Er schien keineswegs unglücklich darüber.

„Wie geht’s dir? Du scheinst dich ja verdammt schnell erholt zu haben!“ Evrill wies auf ihre Brust und zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Ja.“ Langsam nervte es sie, darauf angesprochen zu werden, obwohl es sicher nicht böse gemeint war. Sie gedachte nicht, das Thema vor allen auszubreiten und vermied tunlichst, zu Pareios rüber zu schauen. Bisher hatte er noch nicht Mal zu erkennen gegeben, dass er sie überhaupt bemerkt hatte, was sie leider nicht unberührt ließ. Sie biss die Zähne zusammen.

„Ich habe mit Syrus gesprochen. Er weiß mehr, als wir dachten. Aber er steht nicht hinter Markus, zumindest nicht vollkommen.“ Den Großteil des Satzes flüsterte sie, während sie sich zu den anderen vorbeugte. Alle steckten die Köpfe zusammen, damit sie nicht belauscht werden konnten. Jedoch versprach der allgemeine Lärmpegel, dass ihre Worte in dem Geplapper der anderen untergehen würden.

Sie räusperte sich. „Gibt’s was Neues?“ Pareios flammender Blick brannte förmlich einer Gesichtshälfte, als er sie von der anderen Seite des Tisches aus fixierte. Trotz des Waffenstillstandes waren sie sich nicht einiger darüber geworden, wie viel das Team von der Misere erfahren sollte.

„Nein.“ antwortete Viktor. „Es steht fest, dass wir herausfinden müssen, ob der Rat weiß, dass die Steine von den Hegedunen zu einem bestimmten Zweck geschaffen worden sind. Dass es eine Studie gibt, die mit ihnen zu tun hat. Außerdem ist es zwar wahrscheinlich, dass sie von der Waffe wissen, aber sicher ist das nicht.“

„Können wir nicht weiter über Xandra gehen? Chronos hat viele Befürworter, wenn sich herausstellt, dass er von der Waffe weiß und die Sache unterstützt, können wir davon ausgehen, dass auch der Rest des Rates dafür ist.“ Alle wandten sich während Aurelias Worten Evrill zu, doch der schien nicht sonderlich begeistert. Bedauernd hob er die Schultern.

„Ich kann es zwar versuchen, aber macht euch keine großen Hoffnungen. Chronos hat Xandra zur Geheimhaltung verpflichtet. Das, was sie mir bisher gesagt hat, war das Äußerste der Gefühle und das ging auch nur, weil…“ er verstummte und lächelte selbstsicher. „… Naja, ihr wisst schon!“

Viktor raufte sich die Haare und ließ dann die Faust auf den Tisch sausen. Alle zuckten zusammen, als ein dumpfer Laut entstand. „Seit wann ist es hier an der Tagesordnung, alles Mögliche geheim zu halten? Das war doch früher nicht so…“

„Das fing mit den Steinen an und ging dann mit dem Ratstreffen weiter. Und wozu jetzt diese große Versammlung? Wann findet sie überhaupt statt?“

Evrill wirkte auf Aurelias Frage hin zerknirscht. „Tut mir Leid, das wollte Xandra mir nicht verraten. Aber da alles schon so genau geplant und organisiert ist, würde ich vermuten, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis es so weit ist.“

„Was ist mit deinem Vater? Könnte er an solche Informationen kommen?“

„Vielleicht. Ich denke er wird eine Ausnahme machen, wenn wir ihm klar machen, wie wichtig es ist. Aber ich weiß nicht, ob er noch Zugang zu dieser Art von Sicherheitsstufe hat. Ich werde ihn anrufen.“

"Sehr gut, danke! Kannst du auch deine Leute vom Venusorden kontaktieren und mit ihnen über dieses Treffen sprechen?" Aurelia musste lächeln, als sie daran dachte, auf wie viele Arten sich Evrill jetzt schon nützlich gemacht hatte. Die Entscheidung ihn mitzunehmen, hatte sich bezahlt gemacht.

"Kein Problem." Evrill stand auf und zückte bereits sein Handy. "Ich kümmere mich sofort darum." Mit langen Schritten und entschlossener Haltung verließ er den Speisesaal. Die Geräuschkulisse eignete sich nicht gerade für wichtige Telefonate.

„Damit hätten wir diese Sache geklärt, bleibt noch Gregorowicz. Da du wieder relativ fit aussiehst, könnten wir ihm ja doch einen Besuch abstatten."

"Daran hatte ich auch gedacht!" stimmte Aurelia Virktors Vorschlag zu und auch die Anderen hielten das für eine gute Idee.

Während sie noch eine Weile aßen und dabei beratschlagten, worüber der Wissenschaftler befragt werden sollte, bemerkte sie immer wieder Pareios‘ Augen auf sich. Es war ihr klar, dass er wollte, dass sie den anderen von Dante und den Steinen erzählte. Aber Aurelia war noch nicht bereit dazu. Sie musste erst herausfinden, auf welcher Seite Dante tatsächlich stand, sonst würde ihr Team mit Sicherheit davon überzeugt sein, dass er eine Gefahr war. Sie konnte sich nicht vorstellen, was dann passieren würde, was sie selbst tun würde. Sei konnte auf keinen Fall zulassen, dass irgendjemand ihr Gegenstück bedrohte.

Sie hatte Pareios ausdrücklich darauf hin gewiesen, dass das alles ihre Sache sei, aber seine Einwände waren natürlich nicht ganz grundlos. Dante spielte vielleicht eine große Rolle in ihrer aller Zukunft und ihr Team hatte ein Recht auf die Wahrheit, aber sie hatte nicht vor, es so weit kommen zu lassen. Sie musste herausfinden, in welchem Zusammenhang ihr Gegenstück zu den Steinen stand und dann verhindern, dass ihre Vision eintreffen konnte. Ein besorgtes Team, das sich vielleicht gegen sie stellte, konnte sie dabei gar nicht gebrauchen. Sie hoffte, Pareios würde sich an ihre Worte erinnern und ihr das Ganze überlassen.



Er hielt sich zurück, bis sie ihr Treffen auflösten und jeder an seine Aufgabe ging. Aurelia wollte zusammen mit Viktor zu den Gefängniszellen aufbrechen, aber Pareios stoppte sie , während die anderen schon auf dem Weg aus dem Speisesaal waren. Aurelia bedeutete seinem Bruder, dass sie gleich nachkommen würde.

„Du musst es ihnen sagen!“ kam der große Elevender unumwunden zum Punkt, sobald sie allein waren.

„Ich habe schon gesagt, dass ich erst mehr über Dante erfahren will! Er könnte genauso gut ein Opfer sein. Wir haben keine Ahnung, was Gregorowicz mit ihm gemacht hat.“ Es ärgerte sie, dass sie diese Diskussion noch ein mal führen musste. Sie verstand ja, dass das für ihn ein schwieriges Thema war, aber sie hatte jetzt keine Zeit für Eifersucht und Revierkämpfe.

„Aurelia, sie müssen wissen, dass deine Vision kurz davor steht, sich zu erfüllen und dass Dante darin eine Rolle spielt.“

„Sie werden denken, er ist gefährlich, das kann ich nicht…“

„Und was, wenn er wirklich eine Gefahr darstellt?“ Aufgebracht rubbelte er sich über das kurz rasierte Haar und bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick. „Hast du zwischen all den rosa Kaninchen schon mal daran gedacht?“

„Glaubst du, ich könnte im Moment überhaupt an irgendetwas anderes denken? Aber ich kann ihn doch nicht einfach unseren Leuten aushändigen, wegen etwas, das noch gar nicht feststeht. Wenn sie hören, dass er etwas mit den Steinen zu tun hat, ist sein Schicksal besiegelt. Was wäre, wenn Nuria da im Krankenflügel säße, was würdest du dann tun?“ Erschrocken biss sich Aurelia auf die Zunge. Was ihr da heraus gerutscht war, war mehr als unfair und sie hätte es am liebsten sofort wieder zurück genommen. Doch ein mal entlassene Worte, konnten nicht wieder eingefangen werden, so wie ein abgeschossener Pfeil niemals seinen Weg zurück in den Köcher fand oder auch ein Tod nicht ungeschehen gemacht werden konnte.

Pareios riss die Augen auf. Dann kam er näher und griff sie am Ellenbogen, um sie zu sich ran zu ziehen. Diesmal fehlte allerdings jegliche zärtliche Intention.

„Du befürchtest, dass die Meinung der anderen durch deine Vision voreingenommen ist und sie voreilige Schlüsse ziehen? Du solltest dir lieber um dein eigenes Urteilsvermögen Sorgen machen.“

„Ich bin sehr wohl im Stande, meine Gefühle von diesem Fall zu trennen.“ Trotzig zog sie an ihrem Arm, aber er ließ sie nicht los.

„Ach wirklich? Wenn der Kerl nicht dein Gegenstück wäre, säße er jetzt bei Gregorowicz in der Zelle. Das wissen wir beide!“

„Du weißt gar nichts über ihn und doch steht für dich schon fest, dass er da hin gehört, obwohl ihr beide gemeinsam gefoltert worden seid. Du hast recht, im Gegensatz zu mir bist du völlig unvoreingenommen!“ keifte sie zurück und funkelte Pareios böse an.

„Siehst du, was ich meine? Du würdest jede Entschuldigung für ihn finden, obwohl doch klar ist, dass er eine potentielle Gefahr darstellt. So ist es nun mal. Genau das ist der Grund, warum du das nicht für dich behalten darfst!“

Nase an Nase standen sie da. Es hätte kaum noch ein Blatt Papier zwischen sie beide gepasst, doch neben dem Zorn, der zwischen ihnen wütete, brachen auch die Wunden von vorhin wieder auf. Sie waren sich so nah und berührten sich, sofort wurde ihr heiß und sie hätte am liebsten die Arme um seinen Nacken geschlungen und die wenigen Zentimeter zu einem wahnwitzigen Kuss überbrückt. Natürlich kam es dazu nicht, denn sie riss sich zusammen und ließ sich auf ihre Fersen zurück sinken. Tief durchatmend senkte sie die Lider.

„Will ich ja nicht. Ich will nur erst noch ein wenig mehr herausfinden und bis dahin bitte ich dich,… als mein Freund, bitte sag‘ ihnen noch nichts.“

Pareios stieß einen höhnischen Laut aus. „Als dein Freund bittest du mich jetzt tatsächlich, dir dabei zu helfen, dein Gegenstück wider aller Vernunft zu decken?“

Als sie nichts erwiderte, sondern nur flehend zu ihm aufsah, bemerkte sie genau, wann seine harte Schale einen kleinen Riss bekam, was ihn anscheinend auch wütend machte. Erzürnt starrte er erst auf seine Hände, dann auf Aurelia.

„Ich hoffe wirklich, du weißt, was du da tust.“

Aurelia hörte den Schmerz in seiner Stimme und wünschte sich sogar fast, er wäre im Stande, sie zu verraten. Dann wäre er vielleicht auch stark genug, zu verkraften, was auch immer mit ihnen geschehen mochte.





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