Gifted - Die Befreiung - Teil 15

Autor: Aven
veröffentlicht am: 29.07.2012


Hey Leute,
erst mal tausend Dank für die Kommentare :D Schön dass ihr die Geschichte lest! Hier also der nächste Teil. Viel Spaß damit und ich hoffe, er gefällt ;D, LG Aven

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Da sie nun Viktors Griff plötzlich entbehrte, verlor sie den Halt und fiel auf die Knie. Ihr Geist war in heller Aufregung und die einzelnen Neuronen schienen sich zu verselbstständigen. Zu tief saß die Erschütterung durch das eben Geschehene. Hätte Pareios doch nur zugelassen, dass sie sich weiter in die Zukunft vorwagte. Lieber wäre sie noch tausend Mal in Ohnmacht gefallen, als mit ansehen zu müssen, wie sie seinen leblosen Körper über den Boden schleiften und mitnahmen! Das war keine Ohnmacht, das war das Grauen höchstpersönlich, das in diesem Bild steckte. Ohne Viktor brannte der Hass auf Pareios‘ Entführer nun wieder lichterloh. Das Monster ließ ihre Arme zittern und das Hirn vor Wut rasen! Doch sie wusste, dass Viktor in diesem Fall wohl einen kühleren Kopf bewahrt hatte als sie, also befolgte sie vernünftiger Weise seine Anordnungen. Die Sorge um Pareios floss ätzend durch ihre Adern während sie aufstand und beschleunigte den Puls unwillkürlich. Wenn sie ihn jetzt verlor, wo sie ihn nach all den Jahren gefunden hatte, ihn endlich wahrgenommen hatte… Sie versuchte nicht, sich auszumalen, was dann mit ihr geschehen würde. Wie viel würde dann noch von ihr übrig bleiben? Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und machte das Atmen schwer. Die Angst um ihn schnürte ihr die Kehle ab, doch gleichzeitig mobilisierte das Monster ungeahnte Kräfte, die ihre Muskeln beben ließen. Jetzt rannten ihre Beine wie von selbst los. Das Programm für diese Bewegung war so tief in ihr Gehirn eingegraben, dass es wahrscheinlich sogar in der größten Schockstarre funktionieren würde. Und während des Laufens wurde ich Geist wie gewohnt wieder ein wenig klarer. Sie rannte jetzt, als ginge es um ihr Leben, was es ja auch im Endeffekt tat und der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Die Kleidung klebte ihr mittlerweile am Körper und machte jeden Schritt etwas schwerer. Sie war sich bewusst, dass ihr Sweater am Rücken große Löcher haben musste, konnte es aber jetzt nicht ändern. Kurzerhand packte sie alles aus dem grauen Kleidungstück in ihre Hosentaschen, zog ihn dann aus und schleuderte ihn im hohen Bogen über einen Zaun. Sie brauchte dringend eine U-Bahnstation. Suchend rannte sie weiter durch die Straßen, bis sie eine Ecke in Neukölln wiedererkannte. Hier war es schon belebter, aber insgesamt waren immer noch wenig Menschen auf den Straßen unterwegs. Kein Wunder, da es einen von den Hegedunen festgelegten Arbeitsplan gab, der jedem nur einen freien Tag in der Woche zugestand, und diese waren an verschiedenen Tagen, was dazu führte, dass die meisten Paare und Familien niemals gemeinsam Freizeit hatten. So pflegten sie persönliche Bindungen und somit die Menschlichkeit der Bevölkerung zu untergraben.
Es gab hier einige Geschäfte, die ihre Auslagen unter Sonnenparavants vor den Boutiquen ausstellten. Als sie an einem vorbei hastete, griff sie wahllos in einen Ständer und erwischte eine lilane Softshell-Jacke. Sie zog sie rasch über, ohne jedoch stehen zu bleiben. Da sie nun wusste, wo sie sich ungefähr befand, lenkte sie weiter nach Westen. Sie meinte, dort müsste irgendwo eine Haltestelle zu finden sein. Nach knapp drei Minuten kam endlich das blaue Schild in Sicht, unten angekommen legte sich noch Mal einen Schlussspurt ein und erreichte eben noch eine Bahn, die sie zurück bringen sollte. Drinnen atmete sie schwer und stützte sich kurz vornübergebeugt mit den Händen auf den Knien ab.
Die Passanten um sie herum betrachteten sie neugierig, während sie die Karte der Untergrundlinien über dem Eingang studierte und dabei die graue Mütze zu Recht schob. Ihr Herz hämmerte immer noch von innen gegen die Rippen und ein Teil ihres Hirns machte ständig Ausflüge zu Pareios‘ fahlem Gesicht. Sie bekämpfte das innere Chaos mit aller Macht, konnte es jedoch nicht ganz verbannen. So trug sie es den ganzen Weg mit sich herum, genauso wie die Sorge um ihre anderen Teamkollegen. Würde sie noch rechtzeitig im Motelzimmer eintreffen? Würde Viktor es schaffen, an dem Auto dran zu bleiben?
Als sie ihren Zielbahnhof nach einer gefühlten Ewigkeit erreicht hatte, wäre sie in ihrer Eile beinahe die Treppen hinauf gefallen, doch sie konnte sich gerade noch abfangen, um dann ihren Weg fortzusetzen.

Schon von Weitem erkannte sie das Leuchtreklameschild ihres Motels, die Straße war wie leer gefegt. Etwa 500 Meter davor bremste sie ab. Gemesseneren Schrittes schlenderte sie betont lässig auf ihre Unterkunft zu und vergrub die Hände tief in den Taschen, wo sie sich um die HK P8 und das Wurfmesser schlossen. Sicher ertastete sie die Griffe und spürte die Vertrautheit, die von ihnen ausgingen. Sie glaubte, es war klüger, nicht direkt durch den Haupteingang hineinzuspazieren, also bog sie kurz vor dem Gebäude in eine kleine Seitengasse ein und suchte nach einer Tür am Nebengebäude. Es war ein Wohnhaus und schon nach wenigen Sekunden hatte sie eine gefunden und sich Zugang verschafft. Sie sprintete das Treppenhaus hinauf und erreichte keuchend das Dach. Sie blieb jedoch nicht stehen, sondern nutze den Schwung, den sie bereits drauf hatte, um auf die Begrenzungsmauer zu zu rennen und sich dann kräftig von ihr abzustoßen. Der Weg bis auf das Dach des Motels war weiter, als sie gedacht hatte. Ein paar Sekunden segelte sie durch den eisigen Regen, bevor sie sanft auf dem rauen Sandfaserboden aufkam und sich abrollte. Schon stand sie wieder und rannte weiter, jetzt die Treppe hinunter bis in den 8. Stock. An der Tür, die in den Flur führte blieb sie endgültig stehen und lauschte angestrengt. Sie musste ihren hektischen Atem und den frenetischen Herzschlag zügeln, um überhaupt etwas wahrnehmen zu können. Dies wollte aber auf die Schnelle nicht funktionieren, deshalb zog sie ihre Intuition zu Rate, ob es sicher für sie war, die Zimmer zu betreten. Da sich ein positiver Drang einstellte, den Weg fortzusetzen, nahm sie an, dass es ungefährlich für sie wäre.
Langsam drückte sie die schwere Feuerschutztür auf und schob sich in den langgezogenen Flur. Nichts regte sich, und so setzte sie leise einen Fuß vor den anderen. Ihre Gefühlslage blieb konstant, also ging sie nun zügiger und bald kam das Frauenzimmer in Sicht. Die Tür war verschlossen und so wanderte ihr Blick weiter zum Männerzimmer, in dem sie vorhin Row und Aiden zurückgelassen hatten.
Da traf sie fast der Schlag!
Die Tür war nur angelehnt und ein schmaler Lichtschimmer drang durch den Spalt in den Flur. Die beiden hätten sie niemals offen gelassen!
Trotzdem verspürte sie immer noch keine tiefe Abneigung dagegen, das Zimmer zu betreten. Ihre Intuition führte sie definitiv direkt dort hinein! Sie zog die P8 und entsicherte sie. Das sanfte Klicken rief noch ein Mal alle Lebensgeister zusammen und sie bereitete sich innerlich auf einen hässlichen Kampf vor. Augenblicklich wurde sie ganz ruhig. Sie wünschte, ihre Ohrstöpsel würden noch funktionieren, aber sie hatte sie sowieso während ihres Sprints von sich geworfen. Ihr Geist war jetzt voll präsent und ihre Intuition glitt durch die nächsten Sekunden, doch sie schien sie nicht daran hindern zu wollen, einzutreten.
Also stieß Aurelia die braune Holztür mit dem Fuß auf und streckte ihre Waffe in den Raum hinein. Nach ein paar Drehungen stellte sie fest, dass der er menschenleer war. Dies bewirkte zuerst Erleichterung, dann Bestürzung. Zwar waren keine Hegedunen hier, Row und Aiden waren aber auch nirgends zu sehen. Jetzt rutschte ihr das Herz in die Hose, sie fühlte sich als ob sie in ein bodenloses Loch fallen würde. Die beiden waren weg! Getötet oder verschleppt, sie wusste es nicht.

Sie machte einen Schritt auf dem Teppichboden und es knirschte unter ihren Sohlen. Es waren kleine Splitter eines Injektionspfeiles mit blauer Spitze. Die feine Nadel war verbogen und der abgeflachte vordere Teil war abgebrochen. Sie widmete sich nun den restlichen Eindrücken. Der Raum war fast nicht wiederzuerkennen. Die Stühle und Tische waren umgeworfen, die Taschen durchwühlt und deren Inhalt überall verstreut worden. Die Matratze lag schief über dem Bett. Sie war der Länge nach ein paar Mal aufgeschlitzt worden und Federn schwebten noch sachte durch die Luft. Sie stammten von dem ebenfalls zerfetzten Bettzeug und den Sofakissen. Der Blick nach links machte es nicht besser. Die gesamte Wand zum Badezimmer zeugte von Rows Gabe. Ein Teil war eingestürzt und aus den abgerissenen Rohren sprudelte klares und bräunliches Wasser heraus, das sich zischen den Trümmerhaufen schon zu einem kleinen See gestaut hatte. Auch der große Kleiderschrank war von Row ins Bad hinein geblasen und da zerhackstückt worden. Einzelne Türen und Bretter davon lagen über den Trümmern verteilt.
Der noch stehende Teil der Wand war an der Seite zum Zimmer leicht eingedrückt. Es war ein großer Krater entstanden, da wo Row‘s Druckwelle sie getroffen hatte. Die Fensterscheiben des Zimmers mussten ebenso deswegen zerborsten sein. Oder hatte das Eindringen der Hegedunen dies verursacht? Aurelia war verwirrt. Sie stellte sich bildlich vor, wie eine Horde schwarz gekleideter, vermummter Gestalten in den Raum eindrang. Sie mussten über das Fenster oder die Tür gekommen sein. Wenn Row die Angreifer zurückschlagen hätte wollen, dann müssten doch die Wände rund um die Tür und das Fenster ebenso zerstört sein…
„Grab!“ flüsterte ihr ihre Intuition zu. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Ohne nachzudecken steckte sie die Waffe in den Hosenbund und stürzte zum größten der Schutthaufen. Mit bloßen Händen schaffte sie ein paar schwerere Trümmer beiseite, dann wühlte sie in den Bergen aus Staub und Splittern von Fließen und Spiegeln. Ihre Haute zeigte schon bald Schnitte und Risse, doch sie machte einfach weiter, sie wusste, sie würden bald verschwunden sein. Dann, nach einer halben Ewigkeit, so kam es Aurelia vor, berührten ihre Finger etwas Weiches. Jetzt ergriff sie die helle Aufregung. Sie schob ein weiteres Teil der Wand weg und darunter kam eine weiße Hand zum Vorschein. Sie beschleunigte entsetzt das Tempo und grub, bis sie Aidens Gesicht und den Brustkorb freigelegt hatte. Er war bleich und über und über mit weißlichem Staub bedeckt. Die Augen waren geschlossen, er rührte sich nicht. Sie packte einen Teil des ehemaligen Badezimmerspiegels und hielt es ihm vorsichtig unter die Nase. Als er leicht unterhalb der Nasenlöcher beschlug, atmete sie erleichtert aus. Aiden war noch am Leben!
Mit etwas Mühe zerrte sie ihn an den Achseln aus den Trümmern und legte ihn sacht auf dem Boden ab, da wo er noch trocken war. Flott untersuchte sie geübt seinen Körper nach Knochenbrüchen, die geschient werden mussten, bevor sie dank der schnellen Wundheilung der Elevender schief wieder zusammen wuchsen. Sie tastete die Extremitäten und die verschiedenen Gelenke ab, stellte aber fest, dass sie zum Glück unversehrt waren. An seinem Hinterkopf entdeckte sie schließlich verkrustetes Blut, das von einer schon verheilten Kopfwunde zeugte, die ihn wahrscheinlich in die Bewusstlosigkeit verbannt hatte. Gerade als sie sein Haupt wieder auf dem Flokati ablegen wollte, begannen seine Lider zu flattern.
Schließlich schlug er sie ganz auf und die Pupillen verengten sich reflexartig während die Augäpfel suchend in den Höhlen herum kullerten. Dann fanden sie Aurelia und blieben an ihr hängen. „Was..?“ stieß er hervor und versuchte sich auf die Arme zu stützen. Dabei schien sein Kopf sich zu melden, denn die eine Hand wanderte sofort dorthin und legte sich auf das hellblonde Haar. „Ohhh…!“ stöhnte er jetzt und ließ sich wieder nach hinten fallen.
„Wie fühlst du dich?“ fragte Aurelia und zog besorgt die Augenbrauen zusammen. Sie war so erleichtert gewesen, wenigstens einen ihrer Kameraden vorzufinden, doch jetzt drängte sich die Angst um die anderen wieder in den Vordergrund, da Aiden augenscheinlich weitestgehend unverletzt war. „Geht schon!“ brummte er und betastete weiter das Haar am Hinterkopf. „Was ist passiert? stellte sie dann endlich die Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte.
„Ich weiß nicht genau!“ murmelte er jetzt und versuchte angestrengt sich zu erinnern. „Ich war nur kurz im Bad, da hörte ich drüben die Fenster zu Bruch gehen und ein Tumult brach los. Es war unheimlich laut und klang nach vielen Eindringlingen. Ich wollte zur Tür und sie öffnen, aber da kam mir schon die Wand entgegen!“ Er fluchte. „Row! Scheiße, sie…!“
Auch Aurelia war aufgegangen, dass Row sich aus irgendeinem Grund in einer aussichtslosen Lage gesehen hatte, also tat sie das einzige, das noch in ihrer Macht lag. Sie schützte Aiden, indem sie ihn unter einem Haufen Schutt begrub und hoffte, dass er vor den Augen der Gegner verborgen bleiben würde. „Heißt das, sie haben sie mitgenommen?“ unterbrach er. Es waren weder Spuren von ihr, noch von ihrem Blut zu entdecken, dafür aber der zersplitterte Injektionspfeil, deshalb antwortete sie: „Sieht so aus!... Genauso wie Pareios!“
Nun setzte sich Aiden doch ruckartig auf. Ihm schien ein wenig schwindlig zu werden, denn wieder kreisten die Augen haltlos durch den Raum. Er fing sich aber bald und bat sie schwer atmend, von den Ereignissen des frühen Nachmittags zu berichten. Sie schilderte, was vorgefallen war und sie hatte nicht gedacht, dass es möglich wäre, aber Aiden wurde noch blasser. Das kalte Grauen erfasste ihn, genauso wie Aurelia eine halbe Stunde zuvor. Die Gewissheit, blindlings in eine Falle gerannt zu sein, raubte ihnen beiden den Atem. Die Hegedunen hatten sie erwartet und dann allzu leichtes Spiel mit ihnen gehabt.

Die Vibration ihres Handys ließ sie beide zusammenzucken. Aurelia nahm es aus der Tasche und ließ es aufklappen. Viktors Stimme meldete sich flüsternd. „Hast du Row und Aiden gefunden?“
„Nur Aiden.“ sagte sie. „Die Anderen waren hier und haben Row mitgenommen.“ Stille am anderen Ende der Leitung. „Wo haben sie Pareios hingebracht?“ Vielleicht würden sie dort auch Row finden, dachte sie bei sich, sie wollte keine unbegründete Hoffnung wecken. Doch die anderen schienen wie so oft die selben Schlüsse zu ziehen. Aiden rappelte sich neben ihr hoch und torkelte zu den Resten ihres Gepäcks. Während Viktor ihr seinen Standpunkt durchgab und beschrieb, dass die Kolonne noch unterwegs war, kramte der Blondschopf nach allem, was noch zu gebrauchen war.
„Aurelia, ich weiß, du wirst jetzt gleich durchdrehen, aber hör dir erst mal meinen Vorschlag an, bevor du mich auf den Mond wünschst, ok?“ fragte Viktor nun eindringlich durch den Hörer. Sie blieb ruhig, obwohl sie sogleich von einer unerklärlichen Unruhe erfasst wurde.
„Hör zu! Die Hegedunen glauben immer noch, dass sie unser Team zerschlagen haben. Einen Teil halten sie für tot, den anderen haben sie sicher verwahrt, also rechnen sie jetzt nicht damit.“ Aurelia biss sich mit aller Kraft auf die Zunge, um es nicht laut auszurufen. Nein!!! Er wollte doch nicht…! Erneut erfasste sie eine Welle der Verzweiflung.
„Aiden und du, ihr müsst jetzt die Gelegenheit nutzen und im Labor einsteigen! Wenn wir überhaupt noch eine Chance haben wollen, dann jetzt sofort!“
„Aber…, wir wissen doch noch gar nichts konkretes, und…“ Viktor unterbrach sie barsch.
„Die werden nicht schlafen, Aurelia. Sie wissen, dass wir ein zweites Team schicken werden, aber sie rechnen nicht sofort damit. Sie glauben bestimmt, es dauert, bis die Nachricht unseres Ablebens sich verbreitet hat. Du musst es tun, jetzt gleich!!! Ich verspreche dir, ich kümmere mich um Pareios! Er ist mein Bruder, glaubst du, ich könnte zulassen, dass ihm etwas zustößt?“
Sie konnte nicht Antworten. In ihr tobte das Chaos. Das Monster schäumte vor Wut darüber, dass er sich trotz ihrer wiederholten Warnungen in die Falle hatte locken lassen. Warum sollte sie ihm jetzt gehorchen? Im Moment fühlte es sich an, als könnte sie keinen einzigen klaren Gedanken fassen, der nichts mit der grauen Sommerdämmerung von Pareios‘ Augen zu tun hatte. Wenn dann sollte sie sich um ihn kümmern, während Viktor in dem vermaledeiten Labor einstieg und den Kopf für etwas riskierte, das ihnen bisher nur Schwierigkeiten gebracht hatte!
„Vergiss, nicht, dass es hier um DEINE Zukunft geht!“ argumentierte Viktor nun scharf.
Das leuchtete ihr siedend heiß ein und wieder packte sie der Selbsthass, denn im Endeffekt hatte sie ihr Team mit ihrer Vision selbst in diese Situation manövriert. Hatte sie das Recht, jetzt ihren Kopf für ihren persönlichen Wunsch durchzusetzen, während sie alle sich für sie eingesetzt hatten?
Sie schluckte ein paar Mal verkrampft und versuchte den Kloß im Hals loszuwerden.
„Glaubst du, du schaffst das allein?“ hakte sie dann mit brüchiger Stimme nach. Viktor zögerte einen Augenblick. „Wenn nicht, melde ich mich.“
Er wollte sich gerade verabschieden, aber Aurelia konnte sich ein paar letzte Worte nicht verkneifen. „Du weißt, sie könnten sie foltern oder noch schlimmeres! Wenn ihm was zustößt Viktor, werde ich dir das nie verzeihen!“
Er blieb kurz still, doch dann sagte er mit kalter, lebloser Ton: „Ich weiß! Ich mir auch nicht!“ Damit legte er auf und Aurelia vernahm nur noch das Tuten des Besetztzeichens.

Aiden riss sie aus ihren düsteren Vorahnungen. „Hat Viktor herausgefunden wo sie sind?“ Er barg gerade einen Berg an Munition und ein paar Karten und Pläne. Aurelia schüttelte den Kopf. „Er will, dass wir ins Labor einsteigen, du und ich. Er kümmert sich derweil um Pareios. Ich hoffe, dass sie Row auch dort hinbringen, wo er hin soll.“ Sie konnte nicht anders, sie musste ihm angesichts dessen, was nun vor ihnen lag, einen Funken Hoffnung geben und wenn er noch so klein war. Wie hätte er sonst auch nur eine Sekunde kampfbereit sein können?
Aiden riss die ritterspornblauen Augen auf, dann verspannte sich seine Kiefermuskulatur und er blähte die Nasenlöcher. Kein Laut kam über seine Lippen, während er so da stand und mit seinem eigenen Zorn rang. Doch er hatte sich angewöhnt, Viktors Entscheidungen zu respektieren und zu befolgen, da die Chancen hoch standen, dass sie von Erfolg gekrönt wurden. Er war immer einer von Viktors größten Verfechtern gewesen und hatte sich ihnen vor ca. 140 Jahren freiwillig angeschlossen, weil er an ihn glaubte. Und an Aurelia. Sie wusste, er war nun halb verrückt vor Sorge um Row. Welch Ironie, dass gerade sie beide nicht an ihrer Rettung ihrer Liebsten teilhaben sollten! Wenn sie überhaupt noch lebten…
Sie verbot sich diese Gedanken. Die Minuten verstrichen und mit jeder Sekunde wurde ihr Zeitfenster kleiner. Sie mussten sich sputen!

„Aiden, was habt ihr bisher beobachtet? Sag mir nur das, was jetzt irgendwie wichtig sein könnte!“ Sie atmete tief durch und versuchte sich zu konzentrieren. Je schneller sie das hier hinter sich gebracht hatte, desto schneller konnte sie sich um Pareios und Row kümmern. Mit diesem Ziel vor Augen schaffte sie es schließlich, den rastlosen Zorn des Ungeheuers zu kanalisieren. Um einen kühlen Kopf bewahren zu können, verpackte sie die Gedanken an Pareios in ein massives Gefängnis in ihrem Kopf und verschloss es sorgfältig, sodass nichts mehr nach außen dringen konnte.
Aiden sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. Das Uhrglas war zersplittert, aber die Zeiger bewegten sich noch. Es war 15:30 Uhr. „Um vier kommt jeden Tag ein Kurier, der Unterlagen aus der Chefetage im Zentrum bringt. Ich habe das in den Listen des Sicherheitspersonals gefunden, die wir noch von Markus‘ Spitzel hatten. Wenn wir es schaffen ihn abzufangen…“
„Dann könnten wir ihn ersetzen!“ beendete Aurelia seinen Satz und war schon mit dem Kopf zwei Schritte weiter. Aidens Vorschlag war mehr als brauchbar, auch wenn er riskant war. „Wie kommt er ins Gebäude rein?“ fragte sie dann.
„Wohl mit Zugangsberechtigungskarte. Aber in der Eingangshalle befinden sich Wachen, die ihn sicher vom Aussehen her kennen…!“
„Ok. Es ist helllichter Tag. Wir müssen so oder so vorne rein.“ Sie überlegte und ließ die Augen über die Überbleibsel ihrer Ausrüstung schweifen. Da fiel ihr Blick auf einen weißen Kittel und endlich schoss ihr ihre Intuition eine Idee zu.






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